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Am 11. Mai 1973 gegen Mittag will der Hüne gerade die Lexington Avenue in Manhattan überqueren, als er zusammenbricht. Augenzeugen berichten, er habe seine Hand auf die linke Brust gepresst, das Gesicht vom Schmerz verzerrt. Er ist auf der Stelle tot. Herzinfarkt. Da er weder Ausweis noch Brieftasche bei sich trägt, bringt die Polizei den anonymen Toten ins Leichenschauhaus. Erst eine Gravur auf der Rückseite seiner Uhr hilft bei der Identifikation: "Alexander C. Barker", dazu eine Adresse in Beverly Hills.
Der Tote war Lex Barker. Er starb drei Tage nach seinem 54. Geburtstag. Der US-Schauspieler hatte in seinen Filmen Tarzan verkörpert und Robin Hood, Offiziere, Detektive und Schwerenöter, Piraten und Wikinger. Doch für das deutsche Publikum war und ist er für immer nur "Old Shatterhand", der edle Blutsbruder von Apachenhäuptling Winnetou in den Karl-May-Verfilmungen der Sechzigerjahre. Vor 100 Jahren, am 8. Mai 1919, wurde Barker als Sohn eines betuchten Bauunternehmers in Rye (US-Bundesstaat New York) geboren.
Der Franzose Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als "Alte Schmetterhand" waren unter den berühmten Filmduos das Traumpaar des deutschen Kinos der Sechzigerjahre. Aber die Publikumserfolge des Regisseurs Harald Reinl zwischen 1962 und 1968 zementierten die Darsteller auch in ihren stereotypen Rollen. Danach gelang es keinem der beiden, in künstlerisch interessanteren Filmproduktionen eingesetzt zu werden.
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Winnetous ewiger Sidekick Lex Barker: Old Shatterhand war sein Schicksal
Foto: ddp images
Nach einigen frühen Schauspielerfahrungen und dem freiwilligen Einsatz im Zweiten Weltkrieg begann Barkers Filmkarriere durchaus vielversprechend. Auf harte Jahre mit Tingeltheater- und Filmnebenrollen folgte der Ritterschlag und Jackpot: Der durchtrainierte, blendend aussehende 1,93 Meter-Mann wurde 1949 zum Nachfolger des Ur-Tarzan-Darstellers Johnny Weissmüller. Der war mit 43 Jahren etwas füllig um die Hüften geworden und musste den legendären Lendenschurz an den Nagel hängen.
"Aaaaihaihaihaaa!" Nie wieder Tarzanschreie
Vor allem das weibliche Publikum nahm Barker - in der Jugend guter Leichtathlet und Footballspieler - begeistert auf. Auch die Kritiker priesen den Muskelmann als würdigen Dschungelkönig. Und so folgten von 1949 bis 1953 auf zwölf Weissmüller-Tarzans fünf Barker-Tarzans.
Damit erreichte Barker den Gipfel seiner Popularität in den USA - und es wuchs seine Furcht, mit der Rolle zu verwachsen. Auf Partys und in der Öffentlichkeit fordern Wildfremde ihn auf, den Tarzanschrei auszustoßen oder seine imposante Brust zu zeigen. Statt den Vertrag zu verlängern, stürzte Barker sich in Western, Abenteuer- und Actionfilme. "Es ist toll, wieder Kleidung tragen zu dürfen. Ich mag es, wie ein zivilisierter Mensch zu reden", sagte er in einem Interview.
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Barker heiratete allein zwischen 1942 und 1957 dreimal - und ließ sich dreimal scheiden. Die Ehe mit Hollywood-Superstar Lana Turner war geprägt von Problemen, Turner hatte eine Fehlgeburt, litt an Depressionen und Alkoholproblemen, Barker hatte andere Frauen und kam nicht damit zurecht, in der Ehe nur der zweitberühmteste Hollywoodstar zu sein.
Turners Tochter Cheryl Crane behauptete 15 Jahre nach dem Tod Barkers in ihrem Buch "Detour: A Hollywood Story", ihr damaliger Stiefvater habe sie über mehrere Jahre hinweg sexuell missbraucht.
Spottname "Sexy Lexy"
Weil Charakterrollen ausblieben und B-Movies ihm nicht reichten, machte sich Barker 1957 auf nach Europa. Die "Goldene Ära" Hollywoods war passé, die Standardgenres (Komödie, Western, Abenteuerfilm) zerbröckelten, von den Stars erwartete man nun facettenreicheres Spiel.
In Rom erhielt Barker 1960 eine Nebenrolle in Federico Fellinis Klassiker "La Dolce Vita". Er überzeugte als Ex-Hollywoodstar, als gehörnter, betrunkener, pöbelnder Verlobter der von Anita Ekberg verkörperten Sylvia. Sie ärgerte ihn mit dem spöttischen Spitznamen "Sexy Lexy", der an Barker bis zum Lebensende klebte.
Bei einer Party in Rom traf Lex Barker 1961 den deutschen Produzenten Artur "Atze" Brauner. Die beiden mochten einander, bald schon kamen Barker-Filme wie "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse" oder "Frauenarzt Dr. Sibelius" in die deutschen Kinos.
Entsetzen, Tränen, Drohanrufe:Der Tag, als Winnetou starbVon Christoph Driessen und Jochen Leffers
Auf ein Rollenangebot für eine Karl-May-Verfilmung reagierte Barker zunächst ablehnend: "Ein deutscher Western? Das wird nichts", erinnerte er sich später in der "Bravo". "Wildwestabenteuer dreht man in Hollywood seit 60 Jahren, da gibt es die besten Spezialisten." Doch die Schweizerin Irene Labhart, ab 1959 seine Frau, überzeugte ihn. Zum Dreh im damaligen Jugoslawien wurde ihm Pierre Brice als Apachenhäuptling zur Seite gestellt.
Siebenmal spielte Lex Barker Old Shatterhand, den starken Westmann im Lederwams: Mit dem Bärentöter oder Henrystutzen in der Hand und mit einem Lächeln im sonnengebräunten Gesicht spricht er bedeutungsschwere Sätze und tötet Ganoven nur dann, wenn er es unbedingt muss. Der erste Film, "Der Schatz im Silbersee", lockte gleich 17 Millionen Besucher in die Kinos: ein kolossaler Megahit und der Start einer beispiellosen Erfolgsserie. Pierre Brice hatte anfangs noch Bedenken ("Ich hoffe, du hast neben dem Riesenkerl eine Chance"), doch bald harmonierten die beiden - und verzogen sich in Drehpausen zusammen zum Tauchen an die kroatische Küste.
So blond, so deutsch
Produzent Horst Wendlandt hatte Barker auch deshalb gewählt, weil der blonde Riese "deutscher als alle Deutschen" aussah und somit dem Helden aus den Karl-May-Büchern am nächsten kam. Auf fast allen Fotos des Duos überragt Shatterhand beschützerhaft Winnetou - der ohnehin größere Barker wurde auch noch vom Fotografen höher platziert.
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Die beiden Schauspieler waren zunehmend in ihren Rollen als fehlerlose Helden gefangen. Die einfallslosen, oft vor Pathos strotzenden Dialoge frustrierten Brice und Barker - zugleich schwammen sie in Ruhm und Geld. Pierre Brice erinnerte sich an die berühmte Blutsbrüderschaftsszene in "Winnetou" so: "Jedesmal, wenn wir neu drehen wollten und 'Mein Bruder' sagten, mussten wir wieder anfangen zu lachen. Der Regisseur Harald Reinl war sehr wütend und sein Kopf rot wie eine Tomate - da mussten Lex und ich noch mehr lachen. Es dauerte ganz schön lange, bis die Szene im Kasten war."
Goldene Leinwand, Bambi, "Bravo"-Poster, Plattenaufnahmen, viele Titelseiten: Winnetou und Old Shatterhand waren Superstars. Doch der Boom flachte ab, 1968 erschien "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten" als letzter Film der Reihe. Kritiker fanden wenig Gutes: "Klischees billigster Sorte", "schablonenhaft", "Das Ende einer großen Filmserie".
Tennis und Whisky bis zum Exzess
Neben den Winnetoufilmen dreht Lex Barker in den Sechzigern zahlreiche Abenteuerstreifen und Krimis, meist für den italienischen und deutschen Markt. Ihre Titel sagen schon alles: "Das Todesauge von Ceylon", "In Beirut sind die Nächte lang", "Im Reich des silbernen Löwen", "Die Hölle von Manitoba", "Der Schatz des Azteken".
Starke Rollenangebote für Barker blieben aus. Der Old-Shatterhand-Segen wurde zum Fluch. In den USA sollten Neben- und Gastrollen im Fernsehen seine Karriere wieder auf Touren bringen. Derweil endete seine schon fünfte Ehe mit einer früheren spanischen Schönheitskönigin in einem zermürbenden Scheidungskrieg. "Er hatte eine sehr traurige Seite", erinnerte sich Pierre Brice, "er war nicht sehr glücklich in seinen Beziehungen mit Frauen."
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Lex Barker überlegte, gemeinsam mit Johnny Weissmüller eine Art "Tarzan-Land" nach Disneyvorbild aufzuziehen, zog zurück in die USA und versuchte, sich mit einem harten Trainingsprogramm für weitere Hollywoodrollen fit zu machen.
Tagsüber spielte er Tennis bis zum Exzess, abends ging der Kettenraucher auf Partys, trank viel, hatte Affären. Er verlor 15 Kilogramm, klagte über eine alte Kriegsverletzung am Bein und zunehmende stechende Schmerzen in der Brust. Dann brach er am 11. Mai 1973 auf dem Weg zu einem Restaurant auf dem Bürgersteig zusammen.